Her 2 Protein und Herceptin®
bei Brustkrebs
Welche Funktion hat das Her 2 Protein?
Wie bestimmt man das Her 2 Protein?
Autoren: Dr. med. K. Ebel (Impressum)
Dr. med. H.-J. Koubenec (Impressum)
Quellen: einschlägige Literatur
Medikamente bei Krebs, Stiftung
Warentest 2008
Was ist das Her 2 Protein?
Das Her 2 Protein (oder
cerbB 2 bzw. Her 2/neu) ist ein
Empfängermolekül, ein so genannter Rezeptor auf
der Oberfläche von Körperzellen. Es befindet
sich zum Beispiel an der Oberfläche von normalen
Zellen der Brustdrüse aber auch auf
derOberfläche von Brustkrebszellen.
Dieser Rezeptor gehört zu einer Familie von
bestimmten Wachstumsfaktor-Rezeptoren
(epidermal growth factor receptor).
Die Zahl dieser Rezeptoren an der Zelloberfläche
wird bestimmt durch das Her 2 Gen,
welche im Zellkern auf dem Chromosom 17
nachgewiesen werden konnte.
Welche Funktion hat das Her 2 Protein?
Das Her 2 Protein spielt
eine Rolle beim normalen Wachstum und bei der
Ausreifung von Körperzellen, und es reguliert,
bezogen auf die Brustdrüse, die normale
Entwicklung dieses Organs.
Brustkrebszellen, deren Wachstum ebenfalls durch
das Her 2 Protein bestimmt wird, besitzen eine
unterschiedliche Zahl derartiger Rezeptoren an
der Oberfläche.
Im Vergleich zu normalen Körperzellen kann bei
Krebszellen die Zahl der Rezeptoren auf das 10-
bis 100-fache der Norm gesteigert sein. Man
spricht dann von einer
Her 2 - Überexpression. Dies ist
meist verbunden mit einer Erhöhung der Zahl von
Her 2 Gen-kopien im Zellkern, ein Zustand, der Genamplifikation
genannt wird.
Wie bestimmt man das Her 2 Protein?
Man kann im Labor auf verschiedene Weise die Zahl der Her 2 Rezeptoren bestimmen; als kostengünstige und sichere Methode bietet sich das immunhistochemische Verfahren an: hierbei wird ein sehr dünner Gewebeschnitt (ca 2 tausendstel Millimeter dick ) mit einem Antikörper beschichtet, der gegen das Her 2 Protein gerichtet ist. Die dann eintretende Antigen-Antikörper-Reaktion läßt sich mittels einer Farbreaktion sichtbar machen. Je nach Rezeptorzahl an der Zelloberfläche fällt die Farbreaktion unterschiedlich aus. Das Ergebnis wird üblicherweise ausgedrückt in einer Reaktionsskala, welche reicht von:
0 = negativ, keine Überexpression
1+ = schwache Reaktion, keine Überexpression
2+ = mäßig starke Reaktion, schwache Überexpression
3+ = starke Reaktion, starke Überexpression
Therapeutische Ansatz und derzeitige Anwendung
Heute weiß man, dass es
Brustkrebse mit und ohne Überexpression des Her
2 Protein gibt und dass die Überexpression in ca
15 - 30 % der Geschwülste auftritt. Die
Überexpression ist meist mit einer schlechteren
Prognose der Patientin verbunden, dass heißt mit
einem schnelleren Tumorwachstum und einer
schnelleren Tumorausbreitung.
Ein therapeutischer Ansatz ergibt sich aus
folgender Überlegung: wenn es gelänge, mit
einem gegen das Her 2 Protein gerichteten
Antikörper diese Rezeptoren zu blockieren, somit
die wachstumsfördernden Signale von den
Krebszellen fernzuhalten, dann müßte sich das
Wachstum der Krebszellen zumindest verlangsamen,
vielleicht auch aufheben lassen. Tatsächlich ist
ein solcher, beim Menschen anwendbarer, gegen den
Her 2 Rezeptor gerichteter Antikörper (
Herceptin®) entwickelt worden.
Die Behandlung mit Herceptin® (in Kombination mit anderen
krebshemmenden Medikamenten) ist nach derzeitigem Kenntnisstand nur bei den
Patientinnen angezeigt, die eine starke Überexpression des Her 2 Proteins
aufweisen.
Trastuzumab wurde 2000 erstmals zur Behandlung von metastasiertem Brustkrebs
zugelassen, 2006 wurde die Zulassung auf frühe Brustkrebsstadien (vor
und nach der Operation beziehungsweise Strahlen- und/ oder Chemotherapie)
erweitert. In einer großen Studie mit einer zweijährigen Beobachtungszeit
hatten mit Herceptin behandelte Frauen seltener erneut Brustkrebs bekommen
als Frauen, die das Medikament nicht erhalten hatten. Die Gabe von Herceptin
bei HER2-positivem Brustkrebs im Frühstadium sollte deshalb immer erwogen
werden. Ob und welche Zytostatika zusätzlich gegeben werden sollten und
wie lange die Herceptin-Therapie dauern sollte, wird zurzeit in weiteren Studien
untersucht.
Im fortgeschrittenen Stadium kann Trastuzumab auch alleine gegeben werden,
wenn eine Chemotherapie mit einem Anthrazyklin und einem Taxan nicht erfolgreich
war oder wenn diese nicht vertragen wurden. Bei hormonrezeptorpositiven Tumoren
oder wenn die Therapie mit Tamoxifen erfolglos war oder nicht vertragen wurde,
kann Trastuzumab zusammen mit einem Aromatasehemmer gegeben werden. Wenn noch
keine Chemotherapie erfolgt ist, sollte Trastuzumab in Kombination mit Docetaxel
oder Paclitaxel gegeben werden. Bei diesen Patientinnen kann die Kombination
von Herceptin mit einem der genannten Taxane die mittlere Überlebenszeit
im Vergleich zu einer Behandlung mit dem Taxan alleine um sechs bis acht Monate
verlängern. Die Kombination von Docetaxel mit Herceptin verlängert
die mittlere Überlebenszeit im Vergleich zu einer alleinigen Gabe von
Herceptin sogar von 16 auf 31 Monate. Auch für eine Kombinationstherapie
mit Capezitabin oder Vinorelbin liegen gute Erfahrungen vor.
Die Entscheidung über eine solche Therapiemaßnahme sollte einem
Krebsspezialisten
(Onkologen) vorbehalten bleiben.
Therapeutischer Nutzen
(Fazit aus "arznei-telegramm" 6/2008)
Der monoklonale Antikörper Trastuzumab (HERCEPTIN) wurde in Europa zur
adjuvanten Behandlung des Mammakarzinoms im Wesentlichen auf der Basis der
HERA-Studie zugelassen. In dieser Untersuchung wird Trastuzumab nach Abschluss
üblicher Chemotherapieregime angewendet (sequenzielle Therapie).
Der Nutzen dieses sequenziellen Regimes könnte überschätzt sein: In einer weiteren Studie und in einem von insgesamt drei Therapiearmen, beide nur auf Kongressen vorgestellt, lässt sich kein Einfluss von sequenziell angewendetem Trastuzumab auf das krankheitsfreie Überleben nachweisen.
Wir fordern die rasche Veröffentlichung aller Daten zu Trastuzumab in der adjuvanten Brustkrebstherapie.
Beim derzeitigen Stand der veröffentlichten Kenntnis ist unsere ältere Empfehlung, die sequenzielle Therapie gemäß dem HERA-Schema zu bevorzugen, nicht mehr aufrecht zu erhalten. Die optimale Anwendung von Trastuzumab bleibt offen. Der zeitgleiche Gebrauch mit einem Taxan scheint nach derzeitiger Datenlage überlegen zu sein, allerdings möglicherweise auch schlechter verträglich.
*In einer Sensitivitätsanalyse, in der das erhebliche Crossover nach
Bekanntwerden der Einjahresergebnisse berücksichtigt wird, indem Frauen
der Kontrollgruppe ab dem Zeitpunkt des Beginns der Trastuzumabanwendung zensiert
werden, ergibt sich ein ähnliches Ergebnis (HR 0,63; 95% CI 0,53-0,75).3
(R = randomisierte Studie)
1 Roche: Fachinformation HERCEPTIN, Stand April 2007T
R 2 PICCART-GEBHART, M.J. et al.: N. Engl. J. Med. 2005; 353: 1659-72
R 3 SMITH, I. et al.: Lancet 2007; 369: 29-36
4 Roche: Schreiben vom 11. und 13. April 2006
5 Genentech: US-am. Produktinformation HERCEPTIN, Stand Nov. 2006
6 Genentech: US-am. Produktinformation HERCEPTIN, Stand Jan. 2008
7 METCALFE, S. et al.: Lancet 2008; 371: 1646-8
8 PEREZ, E.A. et al.: Further Analysis of NCCTG-N9831; Präsentation
auf der ASCO 2005; zu finden unter http://www.asco.org/ASCO/Abstracts+
%26+Virtual+Meeting/Virtual+Meeting?&vmview=vm_session
_presentations_view&confID=34&sessionID=934 ? Slides anklicken
R 9 ROMOND, E.H. et al.: N. Engl. J. Med. 2005; 353: 1673-84
10 PEREZ, E.A. et al.: J. Clin. Oncol. 2007; 25 (Suppl. 18): 512 (Abstract)
R 11 SPIELMANN, M. et al.: Trastuzumab following adjuvant chemotherapy in node-positive, HER2-positive breast-cancer patients: 4-year follow-up results of the PACS-04 trial; zu finden unter http://www.sabcs.org/ ? Daily Slide Reviewer ? Presentations ? Day 4 ? General Session 7
12 HIND, D. et al.: Lancet 2007; 369: 3-5
13 PEREZ, E.A. et al.: J. Clin. Oncol. 2008; 26: 1231-8
R 14 JOENSUU, H. et al.: N. Engl. J. Med. 2006; 354: 809-20
R 15 SLAMON, D. et al.: Phase III Trial comparing AC-T with AC-TH and with
TCH in the Adjuvant Treatment of HER2 positive Early Breast Cancer Patients:
2. Interim Efficacy Analysis; http://www.bcirg.org/NR/rdonlyres/eqkdodg2dy7t557o7s6uvj7ytpe6gcfg5gmh2ely6hnhh5pjlabz3nd6jddlnao7qoikej3edohsijyiisfvp367uuc/BCIRG006+2nd+Interim+Analysis.pdf
© 2008 arznei-telegramm
Stand: 17.5.2009