Zytostatika (Chemotherapeutika):

Antibiotika

 

Texte aus: Handbuch Medikamente, Stiftung Warentest, Berlin, 3 Aufl. 2000

Handelsnamen von Medikamenten: Kursiv, D Deutschland, A Österreich

 

Antibiotika werden aus Bakterien oder Pilzen gewonnen oder synthetisch hergestellt. Sie werden in erster Linie gegen Infektionen eingesetzt. Einige von ihnen wirken aber gänzlich anders, nämlich als Zytostatika (z. B. Bleomyzin, Dactinomyzin). Sie schädigen die Erbsubstanz, indem sie die Reparaturmechanismen des Körpers für Schäden an der DNA hemmen. Sie bewirken Brüche in der DNA, so dass sich die Zelle nicht mehr teilen kann, und sie schädigen die Zellwand, was die Zelle absterben läßt.

Eine Untergruppe dieser zytostatischen Antibiotika sind die Anthrazykline (Daunorubizin, Doxorubizin, Epirubizin, Idarubizin).

Anthrazykline

Daunorubizin

D DaunoblastinDaunorubicin R.P.
A Daunoblastin

Doxorubizin

D Adriblastin, Adrimedac, Caelyx, DOXO-cell, Doxorubicin Azupharma, Doxorubicin Hexal, Doxorubicin R.P., Ribodoxo-L
A Adriblastin, Doxorubicin "Ebewe"

Epirubizin

D Farmorubicin
A Farmorubicin

Idarubizin

D Zavedos
A Zavedos

Alle Anthrazykline stören den Aufbau der DNA und einer dafür wichtigen anderen Substanz (RNA), brechen die DNA in kleine Stücke und schädigen die Zellwand. Auf diese Weise machen sie die Zelle teilungsunfähig.

Doxorubizin wirkt gegen unterschiedliche Krebsarten und wird häufig mit anderen Zytostatika (z. B. Taxane, 5-FU, Cyclophosphamid) kombiniert. Viele Ärztinnen und Ärzte ziehen Epirubizin vor, weil es sich weniger im Herzmuskel anreichert als Doxorubizin. Allerdings ist unklar, ob Epirubizin ebenso wirksam ist und bei höherer Dosierung nicht ebenso viele oder gravierende unerwünschte Wirkungen nach sich zieht.

Idarubizin wirkt ähnlich wie Doxorubizin, reichert sich aber besonders in den blutbildenden Zellen des Knochenmarks und in der Gehirn-Rücken-mark-Flüssigkeit an. Deshalb wird es häufig bei akuter myeloischer Leukämie eingesetzt, bei der die Hirnhäute oft von Krebszellen durchsetzt sind.

Anwendung

Daunorubizin: Das Mittel wird infundiert, je nach Krebsart in verschiedener Dosierung und unterschiedlich lange. Es darf nicht gleichzeitig mit anderen Zytostatika aus einer Infusionsflasche gegeben werden, weil Daunorubizin dabei leicht ausflockt und dann vom Körper nicht mehr aufgenommen werden kann. Wegen der unerwünschten Wirkungen müssen die ersten Behandlungszyklen immer stationär erfolgen.

Doxorubizin: Die Substanz wird 1 x wöchentlich oder alle 3-4 Wochen in die Vene gespritzt, manchmal auch in eine Arterie. Falls sich im Rahmen der Krebserkrankung Flüssigkeit zwischen Lungen- und Rippenfell (Pleuraerguß), in der Bauchhöhle (Aszites) oder im Herzbeutel (Perikarderguß) angesammelt hat, kann Doxorubizin direkt in diese Körperhöhlen gespritzt werden, um dort die Krebszellen abzutöten. Wenn bei Blasenkrebs andere, stärker wirksame Zytostatika nicht anwendbar sind, kann Doxorubizin in die Harnblase gespritzt werden. Bei Leberkrebs wird Doxorubizin häufig direkt in die Leberarterie gespritzt.

Epirubizin: Das Mittel wird jeweils 1 x im Abstand von mehreren Wochen in die Vene gespritzt. Es darf dabei nicht mit Heparin (hemmt die Blutgerinnung) oder anderen Zytostatika gemischt werden. Wenn Ihre Leber nur eingeschränkt arbeitet, sollten Ärztin oder Arzt die Dosis von Epirubizin verringern.

Idarubizin: Diese Substanz wird meist gespritzt, kann aber als einziges zytostatisches Antibiotikum auch eingenommen werden. Allerdings wirkt es dann nicht so stark wie injiziert.

Achtung

Wenn Sie herzkrank sind (Herzschwäche, koronare Herzkrankheit, Angina pectoris), Ihr Brustbein bestrahlt worden ist, Leber oder Nieren nur eingeschränkt arbeiten oder die blutbildenden Zellen durch andere Behandlungen bereits geschädigt sind, dürfen Sie nicht mit Anthrazyklinen behandelt werden.

Daunorubizin, Doxorubizin: Wenn Sie diese Mittel bereits einmal in der höchst möglichen Dosis bekommen haben, dürfen Sie nicht mehr damit behandelt werden.

Doxorubizin, Epirubizin, Idarubizin: Wenn Sie eine akute Entzündung haben, dürfen Sie nicht mit diesen Wirkstoffen behandelt werden.

Unter folgenden Bedingungen sind die Vorteile und Risiken einer Behandlung mit Anthrazyklinen sorgfältig abzuwägen:

Wenn Sie noch andere Medikamente oder Behandlungsmethoden erhalten oder erhalten haben, ist zu beachten:

Bei Speisen und Getränken

Koffein-haltige Getränke (Kaffee, schwarzer Tee, Cola-Getränke) können die Wirkung von Doxorubizin schwächen.

Alkohol verstärkt die leberschädigende Wirkung von Idarubizin. Während der Behandlung sollten Sie auf alkoholische Getränke verzichten.

Unerwünschte Wirkungen

Bei Daunorubizin, Doxorubizin und Epirubizin fallen die Haare fast immer komplett aus, wachsen jedoch nach, wenn die Therapie beendet ist.

Die schädlichen Wirkungen auf die blutbildenden Zellen im Knochenmark sind bei Epirubizin etwas geringer als bei Doxorubizin.

Häufig, aber unbedenklich

Daunorubizin kann den Herzschlag stark verlangsamen (Bradykardie) oder andere Herzrhythmusstörungen auslösen, vor allem während oder kurz nach der Infusion. Deshalb sollte während der ersten Infusionen ein EKG gemacht werden, um die Herztätigkeit zu überwachen. Die Störung ist meist harmlos.

Häufig und gefährlich

Bei Langzeittherapie und in hoher Dosierung können Daunorubizin, Doxorubizin und Idarubizin den Herzmuskel schädigen, so dass eine bleibende Herzschwäche (Herzinsuffizienz) eintritt, die zu Herzversagen führen kann. Wenn Sie Atemnot bekommen, müssen Sie sofort Ärztin oder Arzt informieren, weil dies auf eine beginnende Herzschwäche hinweisen kann. Teilweise können sich diese Effekte noch bis zu 20 Jahre nach Abschluß der Therapie bemerkbar machen. Um Schäden am Herzmuskel rechtzeitig zu erkennen, muss vor jedem neuen Therapiezyklus ein EKG geschrieben und das Herz in regelmäßigen Abständen mit Ultraschall untersucht werden.

Die schädlichen Wirkungen auf das Herz sind bei Epirubizin deutlich geringer und treten allenfalls in sehr hoher Dosierung auf.

Doxorubizin kann Herzrhythmusstörungen hervorrufen, vor allem, wenn es sehr schnell injiziert wird.

Epirubizin kann die Nervenzellen in der Dickdarmwand lähmen; dann geht kein Stuhl mehr ab. Schlimmstenfalls erweitert sich der Darm massiv, und es können sich Wandeinrisse bilden, die eine Operation nötig machen.

Gelegentlich, aber unbedenklich

Leichte allergische Reaktionen an der Haut (Juckreiz, Rötung).

Doxorubizin und Epirubizin können den Urin vorübergehend rot färben.

Daunorubizin kann bei Frauen den Hormonhaushalt dauerhaft so stören, dass die Menstruation ausbleibt und die Eierstöcke weniger Hormone produzieren. Dann setzen die Wechseljahre ein, und Sie können keine Kinder mehr bekommen.

Selten, aber gefährlich

Nierenschäden bzw. -schwäche. Ärztin oder Arzt sollten die Nierenwerte regelmäßig kontrollieren.

Bei Idarubizin kann sich der Darm stark entzünden, so dass die Gefahr eines Darmdurchbruchs besteht.

Hinweise
Für Männer

Anthrazykline können die Zeugungsfähigkeit (nicht die Potenz) beeinträchtigen.

Für Personen über 60 Jahre

Bei ihnen besteht ein erhöhtes Risiko für Herzerkrankungen. Bei über 80-jährigen muss die sonst übliche Dosis von Doxorubizin halbiert werden.

Bei über 65-jährigen sollte Idarubizin mit besonderer Vorsicht angewandt werden, weil es verzögert ausgeschieden wird und das Risiko für unerwünschte Wirkungen deutlich zunimmt.

Für Kinder unter 14 Jahren

Bei Kindern unter 4 Jahren besteht ein erhöhtes Risiko für Herzschäden. Kinder dürfen die Mittel deshalb generell nur in verringerter Dosis bekommen.

Stand: 15.06.2004